Was im Kanton Appenzell Innerrhoden diskutiert wird, funktioniert in Andermatt und im Entlebuch seit über 15 Jahren problemlos


Markus Russi, es wird doch oft gesagt, die Schweiz sei kein Windenergieland. Warum kam das EW Ursern auf die Idee,
auf dem Gütsch Windenergieanlagen zu bauen?


Weil der Wind dort heftig bläst! Natürlich gab es dafür Messungen, aber jedes Kind aus dem Urserntal weiss, wie windig es dort oben ist. Und wenn der Wind schon da ist, da muss man ihn doch nutzen! Danach weht er erst noch munter weiter. Hinzu kommt, dass wir für die Nutzung des Wassers Wasserzinsen bezahlen, den Wind können wir dagegen gratis nutzen. Das EW Ursern war 1902 Pionierin mit dem Bau eines Wasserkraftwerks, und wir wollten mit dem Bau der ersten Windenergieanlage wieder Geschichte schreiben. Zu sagen, dass die Schweiz kein Windland ist, ist falsch. Der bläst ja überall, und selbst auf dem Gütsch, wo er sehr turbulent ist, nutzen wir ihn zur Stromerzeugung. Daher haben wir nach dem Bau der ersten Anlage im Jahr 2004 zwei weitere im Jahr 2010 und dann 2012 die vorläufig letzte gebaut.

Erfüllen die Anlagen Ihre Produktionserwartungen?
Sie erfüllen sie absolut. Wie bei der Wasserkraft gibt es natürlich bessere und schlechtere Jahre. 2019 erzielte unsere älteste Anlage wie auch alle anderen eine Rekordproduktion! Bei der Wasserkraft hängt die Produktion von den Niederschlägen und von der Schneeschmelze ab. Es gibt Jahre, da verdunsten 80 % der Schneeschmelze und wir haben in unseren Wasserkraftwerken nichts davon. Regnet es in den Schnee, gibt es viel Strom, regnet es zu viel, können wir nicht alles Wasser turbinieren.

Könnte dieser Strom nicht auch mit Solarenergie bereitgestellt werden?
Es wäre sicher möglich, einen Teil davon mit Solaranlagen auf Hausdächern zu produzieren. Aber um die gesamte Strommenge der vier Windenergieanlagen mit Solarmodulen zu produzieren, bräuchte es die Fläche von unzähligen Fussballfeldern. Und noch wichtiger: Neben dem äussert geringen Flächenverbrauch haben Windenergieanlagen einen weiteren Vorteil: Sie liefern über zwei Drittel ihrer Produktion im Winter. Damit ergänzen sie unsere vier Wasserkraftwerke, die im Winterhalbjahr weniger Strom liefern, ideal und erhöhen unseren Selbstversorgungsgrad.

Die vier Anlagen befinden sich auf über 2300 Meter über Meer, sind sie damit nicht sehr störungsanfällig?
Wenn man die Windenergieanlagen sorgfältig auswählt, ist das kein Problem. Unsere Anlagen weisen in all den Jahren eine Verfügbarkeit von mindestens 98 % und mehr auf. Das heisst, wenn der Wind bläst, produzieren sie garantiert Strom.

Die Investitionen in die Anlagen sind hoch. Welche Energieversorger aus dem Unterland sind daran beteiligt?
Das EW Ursern ist alleiniger Eigentümer der Anlagen und hat sie auch selber finanziert. Unabhängigkeit wird bei uns gross geschrieben. Somit gehört der Strom auch alleine uns.

In Andermatt wurde sehr viel gebaut: Das neue Ressort bietet Platz für Tausende Gäste aus der ganzen Welt. Die freuen sich sicher nicht über die Windenergieanlagen. Droht jetzt ein Rückbau der Anlagen?
Ganz im Gegenteil, die Anlagen sind sehr beliebt bei den Gästen, sie freuen sich, wenn die Bergbahnen mit Windenergie laufen. Das Tourismusbüro bietet Führungen zu den Windenergieanlagen an, Gäste aus der ganzen Welt informieren sich bei uns, weil ihnen die Anlagen gefallen und sie mehr über die Technik erfahren möchten.

Was ist Ihre Botschaft an andere Regionen der Schweiz, die Windenergieanlagen planen?
Nutzt diesen Wind, er steht kostenlos zu Verfügung! Es ist erneuerbarer Strom. Die Anlagen brauchen sehr wenig Platz und können praktisch zu 100 % wiederverwertet werden. Produzieren wir Windstrom, um den Generationen nach uns eine möglichst intakte Welt zu hinterlassen. Bei den Punkten CO2-Ausstoss und Umweltbilanz befindet sich die Windenergie auf Augenhöhe mit der Wasserkraft.



Markus Russi, Geschäftsführer EW Ursern Markus Russi, Geschäftsführer EW Ursern
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